Öffentliche Vorlesungsreihe
Die Rückkehr des Staates? Politik, Staat und Gesellschaft nach der Finanzkrise
Mit der Finanzkrise geht die Erosion eines finanzmarktdominierten Kapitalismus einher, der die
interna- tionale Politik der letzten beiden Dekaden nachhaltig geprägt hat. Durch die Einbrüche auf den Immo- bilien- und Finanzmärkten, die zu einer global wirkenden Wirtschaftkrise herangewachsen sind, erlangen
staatliche Interventionen und Programme eine neue Bedeutsamkeit. Doch folgt der gemeinhin als neo- liberal skizzierten Periode des Kapitalismus tatsächlich eine Renaissance des Staates als politischer und
ökonomischer Akteur, ist es also angemessen von der „Rückkehr des Staates“ zu sprechen? Ist die aktuelle Krise nicht vielmehr Ausdruck eines innerkapitalistischen Strukturbruchs, in dessen Folge das wechselseitige
Bedingungsverhältnis von Politik, Staat und Ökonomie neu ausgehandelt wird?
Die Vorlesungsreihe soll aus wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Perspektive, die
Dimensionen der aktuellen Transformationsprozesse von Staatlichkeit analysieren und dabei den Blick auf eine mögliche Rolle des Staates nach der Finanzkrise richten. Gefragt werden soll aber auch nach den
emanzipato- rischen Anforderungen an staatliches Handeln, bei der Konstituierung eines an grundlegenden demo- kratischen und sozialen Rechten orientierten Gemeinwesens.
24.06.09 Prof. Dr. Philipp Genschel
(Jacobs University Bremen) Stresstest: Wie die Finanzkrise die Transformation von Staatlichkeit beeinflusst Bedeutet
die Finanzkrise eine politische Gezeitenwende? Holt sich der Nationalstaat jetzt mit einem Schlag die Kompetenzen zurück, die er zuvor scheibchenweise an Markt und internationale Organisationen ver- lor? Daran sind
Zweifel erlaubt, denn weder war der Staat vor der Krise so abwesend noch ist er in der Krise so gestaltungsmächtig, wie im öffentlichen Diskurs jetzt oft unterstellt wird. Der Vortrag zeigt, dass die Krise keinen
Strukturbruch bewirkt, sondern im Gegenteil einen bereits länger andauernden Entwick- lungstrend verstärkt, nämlich die Transformation des Staates von einem Herrschaftsmonopolisten zu einem Herrschaftsmanager.
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